"Er war der Rebell der Nächstenliebe, ein Brückenbauer und ein Mann, der nach dem Motto gelebt hat: „Geht nicht, gibt’s nicht!“. Pfarrer Wolfgang Pucher ist am 19. Juli 2023 im 85. Lebensjahr zu seinem Gott heimgekehrt.
Nicht nur in Graz, sondern in der Steiermark, in Österreich und weit über unsere Grenzen hinweg war er bekannt als ein Mann, der in den letzten Jahrzehnten ein Netzwerk der Mitmenschlichkeit gespannt hat. Er war das soziale Gewissen in Österreich und ein Pionier der Nächstenliebe.
Vor wenigen Wochen feierte Wolfgang sein 60-jähriges Priesterjubiläum und sein 50-jähriges Pfarrerjubiläum in der Pfarre St. Vinzenz. Vom ersten bis zu seinem letzten Tag war er mit großem Engagement Priester und Seelsorger. Bei seiner ersten Predigt hat er bereits die Richtung seines Wirkens angezeigt. „Ich bin für alle Menschen da, aber besonders für jene, die Not leiden.“
Er schaute nie weg, sondern zeigte lautstark und öffentlich auf, wenn er sah, dass Menschen ungerecht behandelt werden, Not leiden und wenn Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Er scheute sich nicht davor, diese Ungerechtigkeit anzusprechen und dagegen etwas zu tun.
Was arm sein bedeutet, hat er am eigenen Leib spüren müssen. Er wurde 1939 geboren und ist in Zerlach bei Kirchbach mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Der Vater starb im Krieg, als er gerade einmal 4 Jahre alt war. So musste seine Mutter die drei Kinder alleine großziehen. In einem kleinen Haus, ohne Wasser und ohne Strom und in dem es oft zu kalt war für die kleine Familie.
Bereits mit 10 Jahren entstand der Wunsch in Wolfgang Pucher Priester zu werden, aber schlechte Noten machten auch diesen Weg beschwerlich. Doch eines kannte er nicht: aufgeben. So lernte er hart, machte sein Matura, wurde Priester, verbrachte einige Jahre in Istanbul als Internatsleiter am St. Georgs Kolleg der Lazaristen und kehrte 1973 nach Graz zurück, um in Graz St. Vinzenz Pfarrer zu werden.
Immer schon galt sein Engagement den Menschen in verschiedensten Nöten. Als junger Kaplan in Graz kümmerte er sich um Kinder aus ärmeren Familien, in Istanbul beschäftigte ihn das Schicksal der zigtausenden Straßenkinder, denen er helfen wollte und auch in der Pfarre setzte er sich mit aller Kraft dafür ein, dass arme Menschen nicht stigmatisiert oder an den Rand gedrängt werden. So sorgte er dafür, dass ein Straßenname von Graz gelöscht wird, damit Menschen in dieser Siedlung nicht von vorn herein in eine bestimmte Schublade gesteckt werden. Dieses Straßenschild soll, auf seinen Wunsch, mit ihm begraben werden.
Mit den VinziWerken hat er ein Netzwerk der Nächstenliebe gespannt. In den letzten 30 Jahren hat er über 40 Einrichtungen gegründet, die für Menschen in Not zur Heimat geworden sind. Trotz aller Auszeichnungen, Ehrungen und zahlreichen Berichten in Medien blieb Wolfgang Pucher ein einfacher Priester in Graz, der sich mit großem Einsatz um seine Pfarre gekümmert hat und stets aus dem Geist des II. Vatikanischen Konzils gelebt hat.
In einer Zeit, wo sich immer mehr Menschen der Kirche abwenden, hat er beispielhaftes, fröhliches und lebendiges Christentum vorgelebt und holte viele Menschen wieder in die Kirche zurück. Mit seiner offenen Art und seinem wachen Blick für die Sorgen und Nöte der Menschen in unserer Zeit hat er seinen Glauben überzeugend gelebt.
Für mich persönlich war Wolfgang ein Mentor und Wegbegleiter, ein väterlicher Freund und ein großes Vorbild. So vieles durfte ich in den letzten 20 Jahren von ihm lernen und ich bin unendlich traurig und es ist für mich noch nicht fassbar, dass Wolfgang nicht mehr lebt. Ich bin aber dennoch voller Hoffnung, dass Wolfgang nun bei Gott seine letzte Heimat gefunden hat. Sein Lebenswerk, sein unglaubliches Engagement für Menschen in Not, sein großes soziales Vermächtnis wird weiterhin in Graz, in der Steiermark und in ganz Österreich weiterwirken.
Mein Mitgefühl gilt seinem Bruder und seiner Familie, seinen Freunden, dem Orden der Lazaristen, den Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen der VinziWerke und den Pfarrangehörigen der Pfarre St. Vinzenz.
Vergelt‘s Gott, lieber Wolfgang, für deinen unermüdlichen Einsatz für Menschen in Not, für dein Wirken als offener und lebendiger Pfarrer und für unsere tiefe Freundschaft und Verbundenheit! Ich werde dich sehr vermissen! Ruhe in Frieden!"
Nachruf von Nora Tödtling-Musenbichler auf Pfarrer Wolfgang Pucher