Im von Bürgerkrieg und Gewalt erschütterten Südsudan gründete Bischof Paride Taban ein Friedensdorf, das von der Caritas Steiermark mit Eseln und Ochsen für ein Landwirtschaftsprojekt unterstützt wird. Ein Interview über Frieden und was der Papst und Psychiater damit zu tun haben.
2003 eröffnete der emeritierte Bischof Paride Taban offiziell das Dreifaltigkeits-Friedensdorf Kuron im Südsudan. Damit wurde seine Vision eines Dorfes für den Frieden Wirklichkeit. Die Einrichtungen des Dorfes ziehen immer mehr Menschen an, die sich in seinem Umfeld ansiedeln.
Vor rund zwanzig Jahren sind Sie nach Rom gereist und baten den Papst um vorzeitige Pensionierung. Sie wollten ein Friedensdorf gründen. Die Verantwortlichen des Vatikans schickten Sie zum Psychiater. Dachten sie, Sie wären verrückt geworden?
Ich wäre verrückt geworden, wenn es mir nicht erlaubt worden wäre, früher in Pension zu gehen! Genau das haben die Ärzte dem Vatikan auch gesagt. Mir ist es damals nicht schlecht gegangen, aber die Ärzte befanden, dass wegen meiner Erlebnisse in der Kriegszeit eine Pensionierung anstünde. Ich wurde umgehend pensioniert.
Welche Vision leitete Sie bei der Gründung des Dorfes im ärmsten Land der Erde?
Ich wollte ein Dorf gründen, in dem verschiedene Volksstämme zusammen leben. Und zwar solche, die sich selbst zuvor als Feinde gesehen haben. Die Bevölkerung in der Region des Dorfes ist halb nomadisch. Viehdiebstahl gehört seit Generationen zu den Gepflogenheiten der verschiedenen Volksstämme. Für junge Männer ist er sogar Ehrensache. Doch das generiert viel Feindschaft.
Wie gehen Sie damit um?
Wir haben ein eigenes Friedenskomitee. Das organisiert Treffen von Vertretern der Volksstämme. Die Betroffenen reden über den Konflikt, legen ihre Standpunkte dar und schauen, dass sie eine Lösung finden. Gerade erst hatten wir so ein Treffen, und alle sind sehr zufrieden auseinander gegangen mit dem Vorsatz, das Problem zu lösen. Doch sie müssen auch ihre jeweils eigenen Leute überzeugen. Es braucht Zeit, bis uralte Traditionen überwunden werden und alte Wunden heilen. Wir haben Erfolge, aber Heilung braucht viel Zeit.
Wo sehen Sie die größten Probleme?
Bevor es so viele Waffen in der Region gab, war der Viehraub nicht so gefährlich. Doch das ist jetzt anders. Wenn wir eine Regierung hätten, könnte sie durch ein Verbot der Waffen viel erreichen. Das haben wir in unserem Nachbarland Uganda bei den Karamojong gesehen. Die Leute wurden entwaffnet und die Regierung versprach, dafür zu sorgen, dass niemand Rinder stiehlt. Jetzt ist die Region sehr friedvoll. Wir reisen mit Leuten von hier nach Uganda, damit sie das mit eigenen Augen sehen können. Ich hoffe darauf, dass wir eines Tages eine echte Regierung haben werden, die die Waffen ebenfalls verbietet und für Sicherheit sorgt. Das Problem wäre sofort gelöst.
Über die Landwirtschaft ändern Sie vieles an der traditionellen Lebensweise der halbnomadischen Völker. Was würden Sie hervorheben?
Früher machten die Frauen die ganze Arbeit am Feld, während die Männer unter den Bäumen saßen und auf die nächste Gelegenheit zum Viehdiebstahl warteten. Durch unsere Demonstrations-Farm haben wir erreicht, dass heute Männer und Frauen Seite an Seite auf den Äckern arbeiten. Sie ziehen Gemüse, auch Sorten, die es früher nicht gegeben hat, bringen es auf den Markt und können es verkaufen. Das zieht auch Männer zur Feldarbeit, denn durch den Verkauf verdienen sie Geld. Das motiviert sie. Inzwischen sind die Farmen auch besser geworden und größer.
Die Caritas Steiermark unterstützt nun Ihr "Ochs und Esel"-Projekt: Worum geht es da?
Wir trainieren die Tiere, damit sie effektiver eingesetzt werden können. Esel werden eingesetzt, um Kinder aber auch Lebensmittel zu tragen, wenn eine Gruppe zu neuen Weideplätzen unterwegs ist. Wir empfehlen aber, Esel wie Ochsen auch zum Pflügen einzusetzen. Da gibt es noch viel Widerstand, weil das für viele Neuland ist. Wenn Bauern aber sehen, wie es bei anderen funktioniert, kommen sie auch zu uns. Wir helfen den Bedürftigsten nun auch mit Eseln und Ochsen, schauen aber auch darauf, dass Menschen, die schon gut wirtschaften auch von diesem Programm profitieren. So wird offenkundig, dass sich Einsatz lohnt.
Auch Ihr Einsatz lohnt sich!
Ja, als wir begonnen haben, lebten 84 Familien im Umkreis. Nun sind es schon mehr als 10.000 Familien. Sie siedeln sich hier an wegen unserer Serviceleistungen, der Schule, der Klinik, wegen den landwirtschaftlichen Projekten und auch wegen der guten Straßen, die wir gebaut haben. Doch wir brauchen Geld, um unsere Vision zu verwirklichen – und sind für jede Unterstützung dankbar!
Wenn es zu Neid kommt, wie reagieren Sie?
Angesehene ältere Männer und Frauen – die "elders" – werden konsultiert. Wir haben aber auch eine Gemeinschaftspolizei. Das wichtigste ist: Wir unterstützen die Grundeinstellung, dass es in der Gemeinschaft nicht um Wettbewerb geht, sondern darum, die Talente jedes einzelnen Menschen zu schätzen.
Ihr Name steht für Frieden. Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein Leben in Frieden?
Wir müssen lernen, gut mit dem zu leben, das wir nicht ändern können. Dafür brauchen wir Liebe, Mitgefühl, Geduld und die Fähigkeit zu Vergeben. Und dazu viel Vertrauenund auch Hoffnung.
Interview: Annelies Pichler