Diskussionsrunde beim Bildungstalk

© Caritas

Bildung als Provokation: 1. Bildungstalk der Caritas Akademie mit Konrad Paul Liessmann

Der Pisa-Test sei völlig ungeeignet, den tatsächlichen Bildungsstand von SchülerInnen zu messen, Sprachregelungen hinderten am eigenen Nachdenken und die Fokussierung auf Digitale Kompetenz verführe zur Flüchtigkeit: Der Philosoph Konrad Paul Liessmann sparte nicht mit provokanten Denkanstößen bei seinem Vortrag am Mittwochabend in der Caritas Akademie Graz. Die Erwachsenen-Bildungseinrichtung hatte zum Auftakt der Reihe „Bildungstalk“ ins Schulzentrum in der Grabenstraße geladen.

 

Falsche Vorstellungen

Die gegenwärtige Bildungsdebatte sei von falschen Vorstellungen davon, was Bildung sei und erreichen könne, geprägt, sagte Liessmann. Nicht der Aufbau eines Wettbewerbsvorteils in der Arbeitswelt müsse Ziel einer Schulbildung sein. Der tatsächliche Bildungsprozess sei eine innere Entwicklung in persönlichen Lernerfahrungen.

 

Bildung dürfe nicht, wie das der Pisa-Test suggeriere, als Wettbewerb verstanden werden, sondern sei Ausdruck der Veränderbarkeit des Menschen schlechthin. Das fundamentale Bildungsversprechen sei daher, „dass wir uns selbst formen können“, hielt Liessmann fest: „Der Mensch formt und gestaltet sich in einem persönlichen Bildungsprozess, nicht durch Aneignen von Kompetenzen“.

 

Zu hohe Erwartungen

Liessmann warnte davor, die Erwartungen an die Bildung zu überziehen: „Es ist noch nie eine Generation in der Schule für die Arbeitswelt der Zukunft vorbereitet worden“. Er selbst sei mit Papier und Bleistift großgeworden: „Wäre es damals ein Bildungsziel gewesen, uns für die digitale Welt von heute vorzubereiten, hätte meine Schule versagt“.

 

Eine engagierte Debatte entspann sich in der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen dem Philosophen Liessmann und dem Grazer Professor für Weiterbildung Rudolf Egger. Er verwies als Vertreter der „Lernfeldforschung“ auf die Bedeutung empirischer Erkenntnisse in der Bildungsdebatte: „Wir müssen sehen, wie komplex die Lebensrealitäten der Menschen sind.“ Liessmann konterte: „Ohne inhaltliche Debatte darüber, was Sinn der Bildung ist, können wir nicht diskutieren“. Man fand sich dann aber in der gemeinsamen Überzeugung, Bildung sei auch ein sozialer Prozess.

 

Beispiel für Brückenschlag

Emina Saric von der Caritas-Beratungsstelle DIVAN stellte das Projekt HEROES als Beispiel dafür vor, wie Bildung eine Brücke zwischen verschiedenen Lebenswelten schlagen kann. In diesem Projekt werden junge Männer aus so genannten Ehrkulturen darin geschult, ihre kulturell und familiär bedingten Vorstellungen zu reflektieren und ihre eigenen Erfahrungen an Gleichaltrige weiterzugeben.

 

Die Caritas Akademie als Erwachsenenbildungseinrichtung der Caritas Steiermark hat mit dem Vortrag die Reihe „Bildungstalk“ eröffnet. Dabei soll zu einem offenen Nachdenken über Bildung angeregt und eine Möglichkeit der Vernetzung von Bildungseinrichtungen und Interessierten geschaffen werden.

 

Informationhttp://www.caritasakademie.at