Interview zur Lesung "Der Affenscheiße ganze Fülle"
Cornelius Obonya im Interview anlässlich seiner Benefizlesung für das Caritas-Projekt "Superar" am 19.01.2017 im Stefaniensaal in Graz.
Der Titel klingt wild. Worauf müssen wir uns gefasst machen?
Nein, es wird nicht wirklich heftig. Das mit der Affenscheiße ist natürlich ein schöner Sager. Aber keine Bange, ich werde nicht mit Fäkalien um mich werfen. Das Programm habe ich mit Peter Kieslinger zusammengestellt, mit dem gemeinsam ich schon einige Lesungen entwickelt habe. Wir haben entdeckt, dass sich viele Texte von Autoren, die wir mögen, unter dem Titel „Tiere“ zusammenführen lassen. Die Beschäftigung mit Tieren birgt ein großes Vergnügen, weil es viele Sachen gibt, die man anhand von Tieren sehr schön über den Menschen erzählen kann.
Was zum Beispiel?
Ach, es gibt ja viele wunderbare Fabeln, die Menschliches beleuchten. Aber der berühmte Fuchs mit den Trauben zum Beispiel wird bei uns nicht vorkommen. Menschliche Gier etwa lässt sich gut über die Eidechse beschreiben. Es gibt zum Glück gute Dichter, denen dazu schöne kurze Lyrik eingefallen ist; und es wird auch lustig.
Haben Sie selbst ein Tier?
Ich liebe Tiere, aber in meinem Beruf wäre es fast Tierquälerei, ein Haustier zu haben. Ich bin ja viel unterwegs und könnte mich einfach nicht genügend darum kümmern.
Welches Tier wären sie gern – im Leben und auf der Bühne?
Wenn ich ein Tier wäre, wäre ich gern ein Mäusebussard - der fliegt und steht dann irgendwann in der Luft, um auf seine Beute senkrecht hinabzustoßen. Spielen würde ich am liebsten einen Widder– das ist auch mein Sternzeichen.
Sie haben selbst auch am Kabarett gelernt, einer Ihrer Lehrer war Gerhard Bronner. Was mögen Sie an dieser Form?
Ich lache selbst sehr gern und habe schon einen starken Bezug zum Kabarett. Ich mag es sehr gerne, wenn man die großen Probleme der Menschheit mit Gelächter angeht. Im wahren Leben gelingt mir das ja auch nicht immer. Wo Gelächter und Leichtigkeit herrscht, da fühle ich mich wohl. Ich bin aber kein Kabarettist. Ich bin Schauspieler, der gerne Kabarett spielt. Was ich liebe, ist das Rollenspiel, ob nun im Film, in einem klassischen Theaterstück oder einer Lesung. Die Form ist nicht so wichtig – das Projekt muss sitzen.
Warum engagieren Sie sich für soziale Projekte?
Ganz einfach. Ich bin so erzogen. Ich komme aus einer Künstlerfamilie, und da war immer die Haltung: wenn man das Privileg der Öffentlichkeit hat, dann kann und soll man das auch nutzen. Künstler werden ja oft als „Gradmesser“ der Gesellschaft gesehen, dann ist es auch unsere Aufgabe, ein bisschen mit aufzupassen, dass die Gesellschaft gut funktioniert. Wir sind immer angehalten, Dinge zu machen, die nicht rein unterhaltend sind. Sieben Achtel der Weltliteratur transportieren ja auch etwas. Natürlich ist auch „reine“ Unterhaltung ok und schwer genug. Aber ich denke, als Künstler kann man auch mal den Blick von der Bühne runterschweifen lassen und sich in Dinge einmischen, die einem in der Realität falsch vorkommen. Die Öffentlichkeit nur für sich selbst zu nutzen, das wäre aus meiner Sicht ein moralischer Absturz.
Sie widmen diesen Abend dem Caritas-Projekt „Superar“. Was verbinden Sie damit?
Generell geht es mir um die Caritas. Da gab es schon Zusammenarbeit zu ganz verschiedenen Projekten und Themen, die Hospizarbeit zum Beispiel. Und dann geht es auch noch um Kinder –Kinder sind mir überhaupt das Wichtigste. Die erste Verbindung hat sich für mich bei den Salzburger Festspielen ergeben, als José Antonio Abreu, der Begründer des Musikerziehungsprogramms „El Sistema“ in Venezuela die Eröffnungsrede hielt. Er berichtete davon, wie Kinder über die Musik von der Straße weggekommen sind, ein ganz anderes Leben einschlagen konnten. Da kann so viel passieren über etwas, das im Grunde ja leicht zu lernen ist.
Wie ist diese konkrete Zusammenarbeit dann entstanden?
Als diese Anfrage aus Graz kam, war für mich sofort klar, dass ich das gerne machen möchte. Mir gefällt, dass wir alle von den Kindern lernen können, wie wir miteinander umgehen sollten. Wenn Sie eine Gruppe von Menschen aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Sprachen zusammenbringen, und Kinder dabei sind, dann geschieht etwas sehr Faszinierendes – und das habe ich selbst erlebt. Kinder nehmen nämlich diese sprachliche Grenze gar nicht als solche wahr. Wenn es keine gemeinsame Sprache gibt, dann finden sie ein anderes Mittel, um sich zu verständigen und miteinander etwas zu tun. Das überträgt sich dann auch auf die Erwachsenen. Wenn die Erwachsenen diesen ganzen üblichen Krempel – Politik, Weltanschauung, Status, soziale Gewohnheiten – einmal weglassen, dann können auch wir Großen ungeniert radebrechend uns über Gott und die Welt verständigen.
Welche Rolle spielt für Sie die Musik dabei?
Musik kann das noch umso mehr. Musik geht über jede Grenze, angefangen bei der Bezirksgrenze. Musik verbindet so unfassbar, das Empfinden ist viel stärker als alle Unterschiede, die wir argumentativ aufbauen. Das allerwichtigste für mich ist aber: auch in unseren Breitengraden, wo dies alles möglich ist und auf sehr hohem Niveau gejammert wird, gibt es Menschen, die nicht einmal daran denken können, sich das zu leisten: Musik zu genießen oder Musik zu machen. Und wir sollten es doch schaffen, dass das kein Problem ist. Also, eigentlich müsste das Ziel sein, dass sich Superar auflösen kann, weil der Zugang selbstverständlich ist. Aber hier und heute ist es so, dass man mit kleinen Schritten viel tun kann. Die Situation ist ja, dass die Schere immer weiter aufgeht. Dabei geht es gar nicht und arm oder reich, denn selbst manche Menschen, die Arbeit haben, können von dem Verdienst ihre Ausgaben gar nicht decken.
Im Film „Kinders!“ über Superar gibt es eine Szene, wo man sieht, wie Menschen ins Wiener Konzerthaus gehen, die in Bezirken viel weiter draußen leben und sonst wohl kaum den Weg in die großen Kulturinstitutionen finden. Die Eltern und Verwandten der Superar-Kinder – auch Mütter mit Kopftuch und ganze Großfamilien. Was löst so ein Bild in Ihnen aus?
Es ist großartig, wenn da Interesse geweckt wird und die Menschen spüren, dass auch sie in diese Welt gehören. Und ich denke, wir sollten es doch hinkriegen, dass es zumindest für die jetzige Kindergeneration möglich und alltäglich ist, selbst Musik zu machen. Wenn wir das schaffen, dann ist es meine größte Freude. Das einzige Lebensmittel, das süchtig machen kann, ohne dabei ungesund zu sein, ist die Kunst.
Was braucht es, um Talent zu wecken?
Ein Elternhaus – oder auch nur einen Menschen im näheren Bereich, der aufmerksam ist. Dem eine Begabung auffällt, und der dann auch sagt: „Du kannst da was!“ Traurig ist es, wenn es Eltern gar nicht möglich ist, Begabungen ihrer Kinder wahrzunehmen und sich darum zu kümmern, dass diese wachsen können. Das Wichtigste ist es, eine Chance loszutreten – und sei es ein Auftritt beim Wirten ums Eck.
Was ist Ihr Verhältnis zu Graz?
Für mich war Graz zunächst einmal die Stadt, in der mein Vater sehr lange gespielt hat, da gibt es schon einen familiären Bezug. Ich hatte selbst zuletzt eine sehr schöne Zusammenarbeit mit der Grazer Oper für die konzertante Aufführung von „Peer Gynt“, zusammen mit Sunnyi Melles. Ich komme gerne wieder hierher. Was ich an Graz sehr mag, ist der Einfluss der Renaissance, der im Stadtbild deutlich ist. Man merkt hier einen Hauch von Süden, eines anderen Kulturkreises, das hat der Stadt immer gut getan und bringt eine gewisse Offenheit.
Was? „Der Affenscheiße ganze Fülle“. Lesung von Cornelius Obonya
Wann? Donnerstag, 19. Jänner um 19.30 Uhr
Wo? Stephaniensaal Graz
Karten: Ö-Ticket, Kleine Zeitung-Tickets, Zentralkartenbüro Graz