Bene. 1994 hat er verdutzt geschaut, als ihn Bischof Weber gebeten hatte, die Leitung der Caritas zu übernehmen. Mit Stolz, Dankbarkeit, Ehrfurcht und Respekt wird Franz Küberl Ende August an seine Nachfolger übergeben. Nach 22 Jahren mit der Caritas sagt Franz Küberl noch einmal Danke - und Bitte.
Abschied
Dankesworte an die MitarbeiterInnen
Liebe Mitarbeiterin,
lieber Mitarbeiter!
„Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“ antwortet Kain auf die Frage Gottes, wo Abel sei. Eine verhängnisvolle Antwort auf eine schicksalhafte Frage. Die Antwort Jesu war eine einfache: das Beispiel des barmherzigen Samariters, der Verweis darauf, dass wir im Ärmsten Gott selber begegnen. Doch: Welche Verantwortung haben wir als Menschen füreinander? Wo beginnt sie und wo endet sie wirklich? Endet sie überhaupt? Fragen, denen wir in der Caritas täglich auf viele verschiedene Weisen begegnen. Und die sich mir als Direktor am ersten wie am letzten Tag auf gleiche Weise stellen.
Und wofür ist der Küberl gestanden? Ich wollte den kooperativen Führungsstil meines Vorgängers, Prälat Josef Jamnig, weiter ausbauen. Der reizvollen Anforderung genügen, das gleichzeitige Wachsen von Professionalität, Herzhaftigkeit und Spiritualität zu fördern – um den Kernauftrag der Caritas zu erfüllen, Glücksausgleichsfonds zwischen Arm und Reich zu sein. Dabei konnte ich die Caritas zu einer Zeit übernehmen, in der man stolz war, bei der Caritas zu arbeiten. Für mich persönlich sind das Vater Unser, der barmherzige Samariter, die Bergpredigt, die Gerichtsrede evangeliare Starkstrommasten, die mich antreiben, stärken, und wachhalten.
Die Caritas ist jene kirchliche Institution, in der Menschen lernen, wie sie sich selber lieben können – Da braucht es gut und professionell handelnde Menschen in einer Organisation der Hilfe, die mitmenschlich und spirituell gut gereift sein muss.
Und ich habe bei Euch, den Menschen, die die Hauptlast der Arbeit der organisierten Caritas tragen, viele, viele Mitstreitende mit eindrucksvollen Beispielen von Engagement, Einsatz, Durchhaltevermögen, Nervenstärke und Ideenumsetzung gefunden. Ihr habt mich verstehen lassen: Mitarbeitende sind soziale ErfinderInnen. Wenige Ideen in den vergangenen 22 Jahren waren von mir, es lag an mir nur, sie wachsen zu lassen. So konnte Zehntausenden Menschen zur Seite gestanden werden. Hier in Graz, Leoben, Murau, Ratschendorf, hier in Temesvar, Kosice, Banja Luka, Sarajewo, in Durres, in Juba, in Gitega….
Unser Tun ist nicht immer leicht: Die Not der Menschen wird ja von uns nicht bestellt. Aber wir stellen uns der Not. Mit dem Engagement aller strengt sich die Caritas an, dass der Kuchen des wirtschaftlichen Erfolges halbwegs gerecht geteilt wird, nicht dass für die einen die Rosinen, für die anderen aber nur die Brösel überbleiben.
Wenn Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit im Land wachsen sollen, so sind die großen Institutionen der Gesellschaft gefordert. Auch unsere Kirche. Auch die Caritas. Und erst das Zusammenwirken von Einzelnen und den Zimmerleuten der Gesellschaft baut ein für alle Menschen bewohnbares Gesellschaftshaus, in dem Menschlichkeit, Wertschätzung und Gerechtigkeitsbemühen als Eckpfeiler und Dachstuhl empfunden werden können. In dem die Verfeinerung der Kultur des Zusammenlebens und des Miteinanders gedeihen können. So könnte das „Feldlazarett“ der Gesellschaft, in das uns Papst Franziskus hineinersucht, in ein Sanatorium einer Gesellschaft, die nach Zukunft schmeckt verwandelt werden.
Dies schließt mit ein, den oft stummen Schrei von so vielen Menschen – von Flüchtlingen, Armutsmigranten, Arbeitslosen, Einsamen, Obdachlosen - nach ihrem Anteil an Gerechtigkeit zu hören. Und jene aufzusuchen, die nicht aus eigener Kraft und Möglichkeit haben, Teilhabe, Teilnahme, Chance auf Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen. Es schließt auch ein, ihnen nicht nur Überlebensnotwendiges zu gewähren, sondern auch sie erfahren zu lassen, was es heißt, die Fülle des Lebens zu haben, einen Hauch von Lebenserfreulichem, von vitaler Entfaltung zu vermitteln.
Mir wäre recht, wenn der Rationalisierungsdruck auf die Nächstenliebe etwas nachlässt. Der real existierende Kapitalismus hat neben Vorteilen auch den Nachteil dieser Druckausübung. Dem Rationalisierungsdruck nachgeben, hieße, dass das Recht auf Hilfsbedürftigkeit, das Recht auf Gebrechlichkeit, das Wissen um die Unvollkommenheit verdunsten würden.
Ich wünsche Euch, dass die ungelösten Probleme und entsetzlichen Lebensbedingungen von Menschen Anlass dafür sind, dass es eine Faszination gibt, List und Lust daran, Lösungsstrategien und Überwindungsmodelle gegenüber Armut, Gewalt und Unterentwicklung zu suchen und so an der Welt, die erst halbfertig ist, weiterzubauen. Mit engagierter Gelassenheit und einer starken Prise Zivilcourage.
Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein, dass es den meisten von uns sehr gut geht und dass wir persönlichen Handlungsspielraum haben, erweitert wird. Und dafür, dass man sich Voraussetzungen der Mitmenschlichkeit und des Helfens aneignen kann wie der Barmherziger Samariter, der Öl, Tücher und Wein mit hatte, und der sie auch anzuwenden wusste.
Am Schluss meiner Tätigkeit habe ich vielen Danke zu sagen:
- Euch, den MitarbeiterInnen, Euch Führungskräften, Euch Schuldirektoren, der Geschäftsleitung, dem Betriebsrat, meinem Sekretariat.
- Den Spenderinnen und Spendern, die Zeit, Ressourcen, Wissen, Zuneigung, Respekt, Gebet, wirtschaftlichem Erfolg mit den Armen teilen
- Jenen, denen wir beistehen können: für ihren Veränderungswillen, für ihr sich helfen lassen, für ihre Geduld, für die Fähigkeit, auch ein Nein auszuhalten, für ihre Dankbarkeit,
- Dem Herrgott: dass er mich die Fülle des Lebens auf diese Weise erfahren hat lassen.
Euch bitte ich: haut Euch weiter in die Riemen, unendlich viele Menschen sind darauf verwiesen.
Glück auf, Gott geb's!
Dein/Ihr
Franz Küberl, Caritasdirektor