Franz Küberl fordert eine 'Entspitalisierung der Pflege'

Caritas-Kampagne 'Miteinander-Füreinander' thematisiert österreichweit ein Altern in Würde.

"Das heimische Pflegesystem leidet an vielen Krankheiten, die dringend kuriert werden müssen. Der große Wurf steht noch aus", sagte Caritas-Präsident Franz Küberl anlässlich des Starts der Caritas-Kampagne "Miteinander-Füreinander", die ein Altern in Würde thematisiert. So führe der teure Kompetenzdschungel bei der Betreuung und Pflege zu Ungerechtigkeiten für die Betroffenen und ihre Angehörigen: "Es kann nicht sein, dass beispielsweise für ein und dieselbe Betreuungssituation in der Steiermark fast doppelt soviel gezahlt werden muss wie in Oberösterreich", so Küberl. Zudem brauche es im Bereich der Pflege eine Steuerung aus einer Hand, die mit dem Gesundheitssystem vernetzt ist.

Küberl: Akutbett statt Pflegebett als Geldvernichtung
Zudem fordert der Caritas-Präsident eine "Entspitalisierung der Pflege". Denn: "Aus Mangel an Alternativen liegen derzeit Menschen in Akutbetten, weil verabsäumt wurde, die Betreuung zu Hause rechtzeitig zu organisieren oder weil es an entsprechenden Pflege- und Betreuungsplätzen fehlt. Das ist Geldvernichtung, kostet doch ein Platz in einem Krankenhaus mindestens drei Mal so viel wie in einem Pflegeheim." Die massiven Probleme an den Schnittstellen zwischen Spital und Betreuung zuhause seien ungelöst. Es gäbe nach wie vor kein flächendeckendes Entlassungsmanagement, kritisiert Küberl.

Einen "gewaltigen Handlungsbedarf" ortet der Caritas-Präsident auch bei der klaffenden Versorgungslücke. Derzeit müssen sich die Betroffenen nämlich zwischen einer 24-Stunden-Betreuung bzw. stationärer Betreuung und einer stundenweisen, mobilen Unterstützung im Ausmaß von maximal 3 Stunden entscheiden. Zum hier nötigen Maßnahmenmix gehöre etwa der Ausbau des Angebots an mobilen Diensten, die Schaffung einer Teilzeitbetreuung für pflegebedürftige Menschen, Kurzzeitpflege zur Entlastung pflegender Angehöriger, betreute Wohngemeinschaften sowie teilstationäre Angebote wie etwa Tageszentren.

Auch die Finanzierung sei unzureichend und unkoordiniert, kritisiert der Caritas-Präsident und schlägt hier erneut einen Pflegelastenausgleichsfonds vor. Dieser soll nach Vorstellung der Caritas aus Mitteln der Krankenversicherung, Länderbeiträgen, Anteilen der Körperschaftssteuer (KöST) sowie einer noch zu schaffenden Vermögensertragssteuer gespeist werden und sowohl Sach- als auch Geldleistungen finanzieren. Auf die Leistungen müsse ein Rechtsanspruch bestehen, fordert Küberl.

Um die Qualität des heimischen Pflegesystems sicherzustellen, fordert Küberl einen erweiterten Qualitätsbegriff, der auf die persönlichen Bedürfnisse der Menschen eingeht (Zeit für Gespräche, Einbindung des Pflegeheimes ins Ortsleben...) und einen regelmäßigen Pflegebericht nach deutschem Vorbild: "Der jetzt ausgebrochene Streit, wer jetzt zuständig ist, der Soziaminister oder die Bundesländer ist doch ein Sittenbild für die Kompetenzlage." Insgesamt benötige Österreich angesichts von Kompetenzdschungel, knapperen Budgets und Versorgungslücken ein schlüssiges und stimmiges Gesamtkonzept für eine sinnvolle Gestaltung von Betreuung und Pflege in der Zukunft, ist Küberl überzeugt.

Die Caritas Österreich startet heuer zum zweiten Mal nach 2004 eine österreichweite Kampagne zum Thema Betreuen und Pflegen. Oberstes Ziel in diesem Bereich ist eine gleichberechtigte, respektvolle Beziehung zwischen dem pflegebedürftigen Menschen und dem jeweils anderen. Das Kampagnenmotto "MITEINANDER-FÜREINANDER" drückt dies aus. Die Kampagne läuft von Mitte September bis Mitte Oktober. Diverse Aktivitäten wie "Tage der offenen Tür", Vorträge und Diskussionsveranstaltungen sollen in ganz Österreich das "Altern in Würde" thematisieren und über das breite Angebot der Caritas informieren. Unterstützt wird die Kampagne von der Wiener Städtischen Versicherung und Pfizer als Hauptsponsoren sowie der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apotherkerkammer.

Im Bereich der Betreuung und Pflege alter Menschen sind bei der Caritas österreichweit über 4.200 MitarbeiterInnen tätig. Im Bereich der mobilen Dienste werden rund 1,7 Mio. Einsatzstunden geleistet. In 41 Senioren- und Pflegehäusern werden 3.300 Menschen betreut und gepflegt. Die breite Angebotspalette reicht von Beratung über Besuchsdienste, Hauskrankenpflege, Unterstützung pflegender Angehöriger, betreubares Wohnen bis hin zu Senioren - und Pflegehäusern und Hospizbegleitung. Küberl abschließend: "Es muss ein Recht auf Gebrechlichkeit geben. Der Mensch ist auch dann wertvoll, wenn er vordergründig der Gesellschaft keinen Nutzen mehr bringt. Er darf auch im Alter keine medizinische Restgröße sein, sondern muss in seiner Fülle gesehen werden. Diese Überlegungen sind letztlich die Messlatte, ob unser Pflege- und Betreuungssystem in Österreich passt."

www.caritas.at in neuem Gewand: informativ, übersichtlich, barrierefrei
Gleichzeitig mit dem Start der Pflegekampagne geht auch die neu gestaltete Homepage http://www.caritas.at/ online. Die neue Website erfüllt dabei mehrere Aufgaben: BesucherInnen finden Infos über Hilfseinrichtungen und zu 300 nationalen und internationalen Projekten. Es besteht die Möglichkeit, online für Menschen in Not zu spenden - entweder für ein bestimmtes Projekt, oder "dort, wo die Spende am dringendsten gebraucht wird". Jobsuchende können sich über offene Stellen informieren und direkt bewerben, Journalisten finden Pressemitteilungen, Fotos und sonstige Materialien zum Download in einer Mediendatenbank. Trotz der reichhaltigen Infos ist die Website übersichtlich gestaltet, barrierefrei und leicht zu bedienen. Finanziert wird der Webauftritt von UPC, dem digitalen Partner der Caritas. FONDA unterstützte die Caritas Österreich bei der Konzeption und zeichnet für Webdesign und Programmierung verantwortlich.