Die Geschichte der Caritas Steiermark
20er-Jahre
Nach dem Ersten Weltkrieg prägen Armut, Lebensmittelknappheit und soziale Not das Leben in ganz Österreich. Der neu gegründete steirische Caritasverband organisiert Armenausspeisungen, den Ausbau der Hauskrankenpflege, unterstützt bei Fahrkarten, Mieten und Lebensmitteln, errichtet Notquartiere, Fürsorgestellen und die Caritas-Sterbevorsorge. Zudem wird die Grazer Bahnhofsmission für Geflüchtete und Menschen, die auf der Reise gestrandet sind, errichtet.
30er-Jahre
Der steirische Caritasverband baut sein Hilfsnetz weiter aus: Es entstehen die ersten Sozialberatungsstellen.
Die Hilfe gilt den Arbeitslosen und Bedürftigen. Winterhilfsaktionen werden durchgeführt. Der steirische Caritasverband verteilt Lebensmittel sowie Kleidung und unterstützt Mittellose finanziell.
Zweiter Weltkrieg
Das NS-Regime erschwert die karitative Arbeit maßgeblich. Die kirchlichen Vereine und Einrichtungen,
darunter auch die karitativen, werden aufgelöst. So weit überhaupt möglich, leisten die Pfarren und Klöster Caritashilfe.
Der steirische Caritasverband bleibt nur unter strengen Auflagen bestehen. Das karitative Wirken wird verboten, öffentliche Sammlungen sind untersagt. Sämtliche Einrichtungen müssen der „Volkswohlfahrt“ des NS-Regimes übergeben werden.
Nachkriegszeit
In den Nachkriegsjahren dominiert die Inlandshilfe die Arbeit des steirischen Caritasverbandes. Er übernimmt zahlreiche karitative Einrichtungen, Häuser und Schüler*innenheime von den katholischen Vereinen, die vom NS-Regime aufgelöst worden waren, um deren Unterstützungsleistungen weiter zu ermöglichen. Hilfsgüter aus dem Ausland werden an die vom Krieg geprägte steirische Bevölkerung verteilt. Ausländische Organisationen ermöglichen dem steirischen Caritasverband einen Neustart. Pfarrcaritasausschüsse werden reaktiviert.
50er-Jahre
Nach der intensiven Nothilfe der frühen Nachkriegsjahre rückt der Fokus der Caritas Steiermark erstmals weg vom Inland. Die Ungarnkrise markiert den Beginn der Caritas Auslandshilfe. Rund 150.000 Menschen flüchten aus Ungarn nach Österreich. Der Großteil von ihnen wird von der Caritas Steiermark betreut.
60er-Jahre
Im Angesicht der damaligen Krisen wird die Hilfsarbeit vielfältiger. Die Caritas Steiermark betreut Geflüchtete aus der
Tschechoslowakei. Die Bahnhofsmission ist dabei ein wichtiger Anlaufpunkt. Bei Naturkatastrophen, wie dem schweren Erdbeben in Skopje 1963, leistet die Caritas Steiermark Nothilfe im Ausland. Ab 1961 organisiert sie über mehrere Jahre Erholungsurlaube in Österreich für Kinder aus dem geteilten Berlin.
70er-Jahre
Naturkatastrophen, wie das Erdbeben in Banja Luka und Friaul sowie die Dürre in der Sahelzone, prägen die Caritas Auslandsarbeit. Im Inland betreut die Caritas Steiermark mit der Hilfe von Freiwilligen Geflüchtete aus Vietnam. Gemeinsam werden Wohnungen, Arbeitsplätze und finanzielle Mittel organisiert.
Die Caritas Steiermark ist Pionierin in der Altenbetreuung zu Hause. Die Caritas gründet gemeinsam mit dem Landesrat das Steirische Altenhilfswerk und außerdem die Fachschule für Altendienste, damit Menschen so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung betreut werden können.
80er-Jahre
Ab den 1980ern werden Menschen, die aufgrund erschwerter Lebensbedingungen am Rand der Gesellschaft stehen, seien es
psychisch Kranke, Alkohol- oder Drogenabhängige, Obdachlose oder Behinderte, noch stärker in den Aufgabenbereich der
Caritas Steiermark einbezogen. Ab 1984 darf die Caritas Steiermark Zivildiener einstellen. Einer der ersten ist der steirische Kabarettist Leo Lukas. Die ersten Berufsfindungskurse für Langzeitarbeitslose starten 1987.
90er-Jahre
Die Caritas Steiermark leistet im Jugoslawienkrieg umfassende humanitäre Hilfe, zum Beispiel durch Hilfsgüterlieferungen. Außerdem fokussiert sie sich auf die Armut im Inland, die in den 1990er-Jahren deutlich präsenter wird. Die Caritas forciert ihre Arbeit in der Basisversorgung. Sie errichtet die Notschlafstelle Arche 38 im Jahr 1992. Die Armenausspeisung Marienstüberl eröffnet 1995. Die Marienambulanz zur niederschwelligen medizinischen Grundversorgung folgt im Jahr 1999.
2000er-Jahre
Das Angebot der steirischen Caritas-Einrichtungen und Initiativen wird immer vielfältiger. Die Caritas Steiermark eröffnet steiermarkweit mehrere Pflegewohnhäuser. Beim „Jahrhunderthochwasser“ in der Steiermark 2002 leistet die Caritas Steiermark Nothilfe. Sportlich wird es 2003 beim ersten „Homeless World Cup“, einem Fußballturnier für Menschen am Rand der Gesellschaft.
2010er-Jahre
Nach dem Erdbeben in Haiti stellt die Caritas Steiermark Nothilfepakete bereit. Im Zuge der großen Flüchtlingsbewegung, die 2015 die Steiermark erreicht, ist die Caritas Steiermark beim Grenzübergang Spielfeld vor Ort und unterstützt im Transitbereich. Der rasche Ausbau von Flüchtlingsquartieren, unter anderem durch die Caritas Steiermark, führt zu Spannungen und löst gleichzeitig eine große Welle der Hilfsbereitschaft aus. Zahlreiche Freiwillige engagieren sich für die Integration von Geflüchteten und organisieren Spendenprojekte.
2020-2024
Die globale Covid-19-Pandemie verändert die Caritas-Arbeit. Pflege, Beratung, Essensausgaben und vieles mehr müssen unter den strengen Auflagen neu gedacht werden. Kaum scheint die Pandemie überwunden, bringt die Teuerungswelle neue Herausforderungen mit sich. Verstärkt wird diese durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ab dem Jahr 2022. Tausende Ukrainer*innen suchen auch in der Steiermark Zuflucht und werden dort von der Caritas Steiermark betreut. Die Solidarität der Menschen, sowohl durch die Spendenbereitschaft als auch durch freiwilliges Engagement, bleibt ungebrochen. Mit diesem Rückhalt vieler helfender Hände blickt die Caritas Steiermark in die Zukunft und wird sich weiter für ein gutes Leben für alle einsetzen – genau so, wie sie es seit 100 Jahren tut.
Dieser geschichtliche Rückblick wurde mit Unterstützung der Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler erarbeitet.